Achtung, Sie müssen jetzt ein wenig an Ihren Vorurteilen arbeiten, ja, Sie auch! Ein junge Frau namens ω Karen Scharmann schreibt ein Buch. Und das Bild, das Sie da sehen, ist der Titel. Sieht aus wie ein Western. Es ist ein Western. Ja, ein Western. Wie, so richtig mit Cowboys und Indianern und Siedler und amerikanischer Traum? Nein, aber ein Western, ein besonderer.

Ein Junge namens Cole, gerade mal in den Zwanzigern, hat nur ein Ziel: Er will seinen Bruder Harry finden. Harry ist ein echtes Miststück, arrogant, verbrecherisch, mörderisch, nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Harry wohnt irgendwo in einem Canyon, beschützt von seiner Bande. So weit man das weiß, im Wilden Westen, der bei Scharmann alias Lily Ashby zwar Ortsnamen und eine irgendwie geartete Verortung kennt, aber die Namen sind frei erfunden.

Cole zieht los. Nein, er muss los. Denn Harry, der Böse, das Böse schlechthin, hat nicht nur seine Eltern auf dem Gewissen, sondern auch Bruders Coles junges Leben; das moralische Recht und auch das Gesetz sind voll auf Coles Seite. Und dort bleiben sie auch. Coles Gefangensein in dieser Rache durchzieht das ganze Buch.

Ein Greenhorn rächt sich. So könnte es gehen. Greenhorn hat von nichts eine Ahnung. Greenhorn war nie weiter von seiner Farm entfernt als eine halbe Tagesreise; die zweite Hälfte dieser Reise diente immer dem Rückweg. Cole zieht los mit einer Waffe, einer Eigentümlichkeit, einer Pfefferbüchse. Dieser Revolver hat zwar sechs Schuss und gilt als tödlich. Aber erstens treffen mit der nur Profis, was Cole eben nicht ist, und auch die treffen meist nur mit Glück – und aus der Nahdistanz. Kurz, die titelgebende Pfefferbüchse ist eine Schimäre, eher Selbstmordinstrument, denn taugliche Waffe.

Warum dann die Pfefferbüchse? Harry gilt als Meister der Pfefferbüchse. Cole will ihn – hier trifft die Redewendung – mit einer eigenen Waffe zur Strecke bringen.

Ist das alles kompliziert? Nein, Scharmanns Sprache ist klar und einfach. Sie ist direkt. Sie beherrscht ihre Geschichte mit großer Leichtigkeit. Und sie beherrscht ihre Geschichte wirklich. Rächer Cole, das Bürschchen? Nun, ja … und nein. Eben nicht nur. Bruder Harry Pfefferbüchse, der Sauhund? Ja. Ohne Frage. Geht es nur um Rache? Nein. Dann wäre es ein langweiliges Buch. Es geht auch um die Frage nach dem Recht auf Rache. Es geht um Gewissen und Familie und Schicksal. Es geht um die Verfasstheit von Menschen.

Kurz, Scharmanns Erstling, den zu lektorieren ich die Freude hatte, ist in meinen Augen ein ganz großer Wurf. Unbedingte Empfehlung meinerseits, hier zu Amazon zu klicken.