160307_Fehler_SuterWie Sie sehen, sehen Sie hoffentlich nichts. Sie sollen nichts lesen können, weil ich meine Autoren – Sie sehen mir dieses Possessivpronomen bitte nach – nicht der Prüfung vor der Veröffentlichung aussetzen will. Sie sehen lediglich: ein recht rotes Manuskript, einiges in Grün im Text (das sind Verbesserungen und Korrekturen). Rote Balken auf der Seite: Das sind im Programm Papyrus Hinweise für den Autor, was genau ich im Text gemacht habe.

Vor allem aber sehen Sie im Überblick dies: Wenn ich Ihnen ein Manuskript zurückschicke nach dem Ersten Lesen, sind Sie dran. Sie müssen sich mit jeder dieser Anmerkungen beschäftigen. Ja, richtig, mit jeder. Nun gut, Sie können mir vertrauen, wenn es um Zeichensetzung geht; die habe ich eigentlich drauf. Aber manchmal tausche ich Wörter aus, suche nach Synonymen, stelle Sätze um, die mir zu kompliziert erscheinen. Kürze Sätze, mache aus einem mit 42 Wörter vielleicht sogar drei; zusammengepappt mit einem Semikolon. Oder ich schiebe ganze Absätze – oder streiche sie. Sie sehen schon, der zitatgebende Wolf Schneider auf dieser Seite hat recht: Qual muss sein.

Dann können Sie im Stil von vier holzschnittartig hingehauenen Charakteren reagieren: (1, der Vertrauer) Dem vertrau ich mal. Wird schon passen. Ist ja sein Beruf. (2, der überlastete Finanzbeamte) Na ja, schauen wir uns mal die ersten fünfzig Korrekturen an. Stichproben sind besser als Nicht-Proben … wenn die irgendwie passen … (3, der Beleidigte) Hat der ’nen Rad ab? Was wildert der in meiner Kreativität herum? Und wer ist nochmal dieser Herr Duden? Das schau ich mir sehr genau an. (4, der Rechtsanwalt) Darüber wird zu reden sein! Ich mach mir mal ’ne Liste mit Fragen – und wenn der nicht alle Fragen ausreichend beantworten kann, geh ich nach Karlsruhe, überweise eine Teilrechung auf ein Anderkonto und warte mal ab, was passiert.

Auf jeden Fall aber sind Sie dann dran. Ich schreibe das heute, weil ich eine längere Skype-Konferenz mit einer Autorin nach dem Ersten Lesen hatte – und gleichzeitig jenen Text, den Sie links sehen, in der von Autor überarbeiteten Fassung fürs Zweite Lesen auf den Schreibtisch bekam. Und siehe da, aus Rot wird Schwarz, aus Tausenden von Korrekturen auf fünfhundert Seiten ist ein neuer, sehr feiner Text geworden. Den ich mit großer Freude ein zweites Mal lese.