Wann nutzt man Kursives und Co.?

Lesen Sie sich die Frage da oben noch einmal durch und hören Sie die erste und gültigste Antwort …

Kursives nutzt man überhaupt nicht.

Damit wäre dieser Beitrag also beendet, bevor er begonnen hat, und Sie gehen zufrieden nach Hause.

Nein, wir reden über die wenigen Ausnahmen, in denen man mit kursiver Schriftart arbeiten kann. Und bevor Sie mich danach fragen, rufe ich Ihnen zu, dass wir hier über kursive Schrift und über kleine und »große« Anführungszeichen reden, um wiederkehrenden Sprach-Schreib-Situationen in Ihrem Werk gerecht zu werden. Wir reden ausdrücklich nicht über Fettungen. Fettungen sind in der Belletristik ausgeschlossen. Sie ruinieren das Schriftbild* ebenso wie GROSSBUCHSTABEN, G-e-s-p-e-r-r-t-e-s und Unterstrichenes. Kursives bringt lediglich einen Störfaktor ins Schriftbild.

Danke für den Einwurf, liebe Emilie H. aus P. Sie fragen, ob man nicht beispielsweise Schriftzüge, die in der Wirklichkeit des Buchs – ein Name auf einer Autowerkstatt beispielsweise – in Fett herüberkommen, ebenfalls in Fett setzen könnte. Klares Nein, und ich verweise Sie jetzt auf die Grund-Argumentation, die diesem Artikel zugrundeliegt. Und die geht so …

Sie sind Autor. Es ist Ihre Kunst, etwas zu betonen, etwas herauszustellen, etwas wichtiger als anderes erscheinen zu lassen – aber nur mit Ihrer kreativen Sprach-Schreib-Leistung, nicht mithilfe einer fremden Handwerkerin, einer Setzerin, die Ihrem Buch den Schliff verpasst.

Und nun schauen wir uns Situationen an, in denen viele Kursives nutzen.

Erstens. Gedanken-Wiedergabe. Ingrid dachte für sich: »Da weiß Rolf gar nicht, was er machen soll mit der Erbschaft.«

Sätze diese Art finde ich oft in Ihren Manuskripten. Die Autorin hat deutlich klarmachen wollen, dass Ingrid sich etwas denkt. Sie nutzt dafür die Anführungszeichen. Und Sie nutzt kursive Schrift. Dazu sieben Anmerkungen.

  1. Denken ist immer etwas im Kopf. ›Für sich denken‹ entpuppt sich beim Nachdenken(!) als mehr oder weniger trabender weißer Schimmel. ›Denken‹ reicht.
  2. Anführungszeichen seien bitte ausschließlich der wörtlichen Rede vorbehalten. Wenn Rolf etwas zu Ingrid sagt. Laut. Am Telefon oder direkt ins Gesicht.
  3. Halbe Anführungszeichen als Kompromiss sind in meinen Augen ebenfalls überflüssig, weil ja schon das Kursivgesetzte zum Kenntlichmachen ausreicht.
  4. Und letztlich kann man hier auch problemlos die kursive Schriftart in die Tonne treten, weil vollkommen klar ist, dass Ingrid etwas denkt. Nämlich so: Ingrid dachte: Da weiß Rolf gar nicht, was er machen soll mit der Erbschaft. Oder: Da weiß Rolf gar nicht, was er machen soll mit der Erbschaft, dachte Ingrid. Oder: Da weiß Rolf gar nicht, dachte Ingrid, was er machen soll mit der Erbschaft. Wobei die dritte Möglichkeit mit der mittig postierten Formel in meinen Augen die schlechteste Möglichkeit ist.
  5. Aber seien wir ehrlich oder schauen Sie mal im eigenen Werk nach: Oft ist vollkommen offensichtlich, dass gedacht wird. Wenn sie mit sich und nur mit sich im Treppenhaus steht und Rolfs Briefkasten inspiziert. Wenn er auf einem Pferd sitzt und übers Gestüt nachdenkt. Dann ist doch sonnenklarst, dass er oder sie denkt. Dann ist sogar die Denk-Inquit-Formel überflüssig.
  6. Oft gehört und auch gelesen: Kursiv drucken wir ganze Briefe über drei Seiten … Kursiv drucken wir ein ganzes Kapitel über acht Seiten (»… das sind die, die in der Vergangenheit spielen, Herr Lektor, zur Kenntlichmachung …«). Nein. Machen wir nicht. Lassen wir! Es sei denn, wir nehmen wissentlich in Kauf, dass der Leser sich quält. Kursives oder anders Gesetzes ist als Herdenwesen schwerer konsumierbar. Bitte immer nur auf die kurze Distanz …

Siebtens folgere ich: Gedanken im Text, ohne Hervorhebung, einfach das Beste, das Gedanken passieren kann …

Lassen Sie die Gedanken frei fließen – ohne irgendwelche Bekränzungen!

Zweitens. Kursives, um etwas zu betonen. »Das war nicht irgendein Zirkus, das war der Zirkus«, sagt Rolf zu Ingrid.  

Sätze diese Art finde ich oft in Ihren Manuskripten. Die Autorin hat durch die Kursiv-Setzung von der klarmachen wollen, dass Rolf diesen Artikel dehnt, respektive betont. Das ist ja auch richtig. Natürlich muss die Leserin erkennen, in welcher Art und Weise Menschen in Ihrem Buch sprechen. Aber das überlassen Sie bitte nicht dem Setzer dieses Buchs und irgendeiner Drucktechnik.

Nein, Sie als kreative Autorin sind gefragt. Sie müssen mit Wörtern verdeutlichen, was Sie meinen. Etwa so: »Das war nicht irgendein Zirkus, das war der Zirkus«, sagt Rolf. Dabei dehnte er ›der‹ wie einen Flitzebogen.

Das regeln Sie als Autorin also mehr oder weniger elegant und hoheitlich. Auch die Variante ›Er malte Gänsefüßchen in die Luft …‹ ist durchaus statthaft, allemal besser als Kursivsetzung.

Und wenn Sie meinen, die Dehnung auch im Wort oder mit einem Zauberwort für solche Sprachsituationen ausdrücken zu wollen, dürfen Sie auch dies schreiben: »Das war nicht irgendein Zirkus, das war der Zirkus schlechthin(!!!!!!!!), und die Pandas waren soooooo(!!!!!!!!) süß«, sagt Rolf zu Ingrid. (In Ihrem Original natürlich ohne Farbe, Fettung und Ausrufer.)

Oder: »Aaagnes«, schreit Paul in den Quersaal.

Oder: Das Wort ›Künstler‹ umrahmt sie mit in die Luft gezeichneten Anführungsstrichen.

Und auch dies, wenn es denn sein muss und Lektor und Leser im Zustand ›Mal ein Auge Zudrücken‹ sein sollten: »Als er sah, was wir hier alles zusammengetragen haben und wie wir es präsentieren, meinte er nur, einzigartig. Ein-zig-artig.« Warum das geht? Weil der Herr im Buch / man so sprechen kann: die einzelnen Silben abgehackt und gedehnt.

Drittens. Kursives richtig einsetzen. In meinem Lektoraten lasse ich das Kursive – natürlich in Absprache mit meiner Auftraggeberin – nur für eine Sprach-Schreib-Situation gelten: Wenn es um Geschriebenes geht. SMS stehen kursiv; wenn jemand eine Namensschild liest, steht das kursiv. Wenn sie einen Brief überfliegt. Wenn Sie den Namen eines Gasthauses liest. Ich weiß nicht, was ich machen soll, whatsappte sie. Oder: Von Ferne taucht der Name der Tankstelle auf, EasySprit. Oder: Wenn Sie dieses Tagebuch lesen – es gelang ihr kaum, die Buchstaben zu entziffern –, werden Sie entsetzt sein.

Alles klar?

Etwas ganz anderes, aber aus demselben Themenfeld …

An der Art und Weise, wie ich hier bestimmte Wörter herausgreife, sehen Sie, dass ich unterscheide zwischen einfachen und doppelten Anführungszeichen. Ich will mich mit den speziellen Namen gar nicht aufhalten, sondern auch hier einfach nur Grundsätzliches darlegen:

Erstens. Wörtliche Rede. Zwischen doppelten Anzeigeführungszeichen stehe bitte nur das, was wirklich gesprochen wird. Also das, was aus Hirn, Mund und über die Zunge auf jemanden oder mehrere andere trifft. Oder wie es Heinz Erhard sagt: »… aus dem Gehege der Zähne« kommt: »Freunde, was ich euch schon immer beichten wollte …«, sagte Rolf. Oder: »Flüstern gilt hier nicht«, flüsterte sie ihm zu. Oder: »Wichtig«, sagte die erfolgreiche Schriftstellerin zu allen Anwesenden aus dem Nachwuchs, »dass Sie die doppelten Anführungszeichen wirklich nur nutzen für die wörtliche Rede. Sonst sind die tabu.«

Und wenn in dieser wörtlichen Rede eine andere Wörtlichkeit zitiert wird, setze ich sie in einfache Anführungszeichen: Beispiel: Bevor ich ›Rafael, nicht Raffi‹ sagen kann, klatscht vorne die Berger mit der flachen Hand ab. Oder: »Freunde, was ich euch schon immer beichten wollte«, sagte Rolf, »ich habe immer auf die Worte von Fritz gehört, der da einst sagte: ›Wehret den Enden‹.« Und nun schauen Sie sich einmal genau an, wie ich in dem letzten Satz aufgelöst habe die Situation: ›Zitat Ende‹ und ›Satz Ende‹ inklusive ›Ende der wörtlichen Rede‹. So ist es genau richtig.

Zweitens. Die Kenntlichmachung. Die halben Anführungszeichen nehme ich, um Alltagsbegriffe oder Eigennamen zu kennzeichnen. Das kann der Name einer Zeitung sein, der Name eines Hotels, eines Kunstwerks, eines Cafés, eines Begriffs, der eingeführt wird. Oder um es deutlich zu machen: Auf jeden Fall, wenn ein solcher Begriff den normalen Lesefluss stören würde, setze ich ihn in die kleinen Anführungszeichen. Ein Beispiel: Er mochte das ›Reinfall‹, auch wenn ihm der Service an der Hotelbar missfiel. Oder: Heute trifft der Kurier vom Puschkin-Museum ein und bringt Dürers ›Große Passion‹. Oder: Auf der ›Liese‹ kamen sie gut voran, auch wenn sie nur tuckerte. Oder: Es war wunderbar in der ›Wunderbar‹. Noch eines: Im Politikteil der ›Frankfurter Allgemeine‹ las sie über einen Gesetzentwurf. Und auch: Lehmann bleibt bei ›Schreitender Mann‹ von Giacometti stehen. Sie ist über einen Kopf kleiner. Ende.

Der Vorteil dieser Art der Behandlung liegt klar auf der Hand: Die Begriffe in kleinen Anführungszeichen sollten – gegen Dudens Meinung übrigens – nicht gebeugt werden.

Wie immer Sie dies halten, wichtig ist vor allem eines: Dass Sie es über das ganze Buch ziehen. Es muss einheitlich sein, sonst fällt es auf Sie als schlampigen Autor zurück. Oder auf mich als schlampigen Lektor. Oder die Kollegin.

Bei der dritten Kategorie geht es nicht darum, etwas zu vereinheitlichen. Hier geht es nur ums Begreifen und Streichen.

Drittens. Das Armutszeugnis. Ungeübte Autoren neigen dazu, bestimmte Begriffe, Umgangssprachliches oder Redewendungen in kleine Anführungszeichen zu setzen. Beispiele, Redewendung: Dir kann man doch kein ›X für ein U‹ vormachen. – Mit dem kannste ›keinen Blumentopf‹ gewinnen. – Sie war für ihn nur ein ›Klotz am Bein‹. – Er liebte ihren glamourösen ›Laissez-faire‹-Faktor. Oder, Umgangssprache: Mit so einem ›Käse‹ wollte sie nichts zu tun haben. – Der kriegt ›seinen Arsch nicht hoch‹. – Er empfand sie als ›rattenscharf‹. – Sie liebte ihn einfach, ihren ›Bullen‹. Oder jene Fälle, in denen Sie sich von einem Wort distanzieren: Sein ›Hobby‹ war es, Menschen in U-Bahnen zu erschrecken. – Auf dem ›Begrüßungsschild‹ am Ortseingang stand: Haut ab! – Ihn ärgerte der ›Schilderwald‹ im Wald schon lange. – Das Exekutivkomitee ist quasi die ›Regierung‹ der FIFA.

In diesen Fällen – die sind häufiger, als man denkt – stellt sich der Autor selbst ein Armutszeugnis aus. Er hat es einfach nicht vollbracht, das eine, das richtige Wort zu finden, das genau passt. Er distanziert sich von dem Wort, das ihm eingefallen ist. Oder er versteckt sich hinter einer Redewendung. Dann ist er unsicher. Oder er ist zu faul, den schönen Satz umzuformulieren. Oder zu fantasiefrei, mit der Redewendung zu spielen. In diesen Sprachsituationen signalisieren Sie dem Verlagslektor oder dem Agenten: Ich bin noch nicht so weit, souverän mit Sprache umzugehen.

Übrigens, das kann man durch Üben lernen.
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Meine Fußnote zum Schriftbild
: Das mit dem ›Schriftbild‹ sagt sich einfach oft so. Ich will es mal begründen: Das Auge möchte über eine gleichmäßige Seite streichen. Das Auge möchte Absätze erkennen, damit es weiß, wie lange es noch zu lesen hat bis zur nächsten Pause. Wenn das Auge eine Seite ohne Absätze sieht, wird es sich weigern, in diese Langeweile abzusteigen.

Wenn beim Überstreichen der Seite etwas ›ins Auge fällt‹, wird das Auge dort hängen bleiben. Und Sie können sicher sein, dass das Auge erst einmal ausmachen möchte, warum da etwas in Fett, in GROSSBUCHSTABEN oder g-e-s-p-e-r-r-t oder  unterstrichen gesetzt wird. Das stört den Lesefluss. Der Leser schweift ab. Und das kann nicht in Ihrem Sinne sein.

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