Wer ich bin


mic_suedtirol
Guten Tag.

60er. Wortklauber. Journalist mit Chefredakteurs-Vergangenheit in deutschen Großverlagen. Ehemaliger Volontärsausbilder. Vater. Sprachstil-Leider. Dudenkritisch, mit Hang zur neuen Rechtschreibung. Dauerleser. Durchgeimpfter. Rotweintrinker. Christliche-Werte-Leber. Fisch-Freund. Kindle-Nutzer. Anglizismen-Tilger. Werte-Konservator. Neu-Franke mit Hamburger Wurzeln und einer Wiege in Westfalen. Club-Zitterer. Schalentier-Beißer. Ex-Raucher (3. Nov 2019, Todestag meiner letzten Gitanes sans filtre). Istanbul-Bewunderer. Tatort-Schauer. Streiter. Mitglied im VDS, Verein Deutsche Sprache – und sonst in keinem Verein, außer meinem Berufsverband. Schnellschreiber. Wolf-Schneider-Anhänger. Gern-Bayer. Fehlermacher. HSV-Fan. In-den-Süden-Reiser. Macintosh-Nutzer. Trockengelegter Fernseher. Im Internet seit Mitte der Neunziger. Espresso-Liebhaber. Text-Vertilger. Gerne-Nacht-Arbeiter.

Seit Januar 2017 bin ich Mitglied im Verband der freien Lektorinnen und Lektoren, VfLL. Schauen Sie ω hier.

  • Und wenn Sie mehr lesen wollen von mir, schauen Sie doch auf mein tägliches Blog – seit Juli 2011 – zur deutschen Sprache, ω deutschmeisterei.de.
  • Im März 2020 hätte ich auf der Leipziger Buchmesse auf einem Podium sitzen sollen, um etwas zu sagen zum Thema „Was kostet ein Lektorat?“, gemeinsam mit der geschätzten Kollegin Lisa Kuppler und dem nicht minder geschätzten Kollegen Hans Peter Roentgen. Dieses Gespräch im echten Leben wurde coronaisiert. Und ins Virtuelle geschoben. Sie finden das Trio nun als Wiedergabe auf Youtube, ω genau hier. Mit echten Personen, live aus den Büros.
  • Sie wollen mehr wissen über mich? Im Oktober 2019 hat mich Hans Peter Roentgen interviewt. Zu meiner Arbeit. Dieses Interview ω finden Sie hier.
  • Immer noch nicht genug? Mitte 2015 fragte mich Lillith Korn (lillithkorn.de). Können Sie hier lesen.

Hallo Michael, danke, dass du mir ein Interview gibst. Gerne doch. Selten genug, dass sich jemand für diese komische Spezies interessiert. Wir Lektoren und Korrektoren gelten ja irgendwie als Synthese aus erfolglosem Schreiber und pensioniertem Deutschlehrer.

Und, ist das so? Nein, ich glaube nicht. Ich kenne wenige aus meiner Zunft. Aber für verschroben halte ich die nicht.

Wie lange bist du schon Lektor? Und was hast du vorher gemacht? Ich habe mein Berufsleben lang nichts anderes gemacht, als mich professionell mit Texten zu beschäftigen. Hatte gute Lehrer und bin immer noch ein großer Anhänger des überragenden Wolf Schneider. Ich lektoriere seit mehr als vier Jahren mit einem ungeheuren Spaß. Und vorher? Na ja, da war ich Chefredakteur von Millionenauflagigen in Hamburg. Seit dem 29. Juli 2011 schreibe ich jeden Werktag ein Blog zur deutschen Sprache, ω deutschmeisterei.de.

Was genau ist ein Lektorat? Und was ein Korrektorat? Gibt’s da überhaupt einen Unterschied? Kurz und überspitzt: Einen Korrektor interessiert es nicht, ob der Protagonist eines Romans in vier Stunden von Hamburg nach Prag kommen kann. Ein Lektor überprüft das. Ein Korrektor schaut sich an, ob die Kommata bei Prag und Hamburg richtig stehen. Streng genommen kümmert es den auch nicht, wenn der Autor schreibt, Hamburg sei die deutsche Hauptstadt. Der Korrektor ist zuständig für das Standardsprachliche nach dem Duden oder nach Vereinbarung. Der Lektor hingegen sagt dem Autor auch, dass er die Figur Jean-Claude Becky-Mann in dem Buch für (a) überflüssig – (b) unterbelichtet – (c) viel zu wenig ausgebaut – (d) viel zu spät eingesetzt – (e) zu schlecht angezogen oder (f) zu windig für einen Lotsenkapitän hält. Er sagt dem Autor, was er von dem Werk hält. Oder von Figuren. Er ist im besten Fall das Auge eines sich ins Betriebsblinde geschrieben habenden Autors. Und müsste ich diesen Satz bearbeiten, diesen letzten, es wäre mir ein Vergnügen. Wir gehen also auch auf Stil, auf Sprachstil.

Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Lektor und Autor aus? Mir ist es lieb, wenn sie sehr eng ist. Ich telefoniere viel. Schimpfe, lobe, mache Anmerkungen. Ich rege mich auf oder schwelge oder mache Anmerkungen zu Adjektiven im Text. Es kommt aber auch vor, dass der Autor gar nicht reden will. Geht auch, ist aber weniger unterhaltsam. Neulich hat mir eine Autorin gesagt: „Machen Sie, reden Sie nicht! Aber wehe, Sie vermurksen etwas.“ Am liebsten ist mir längeres Zusammenarbeiten. Also die Übereinkunft, dass ich alle Bücher von X oder Y lektoriere. Dann blocke ich Zeiten und schiebe alles andere weg. Bei einer guten Zusammenarbeit zwischen der Autorin und mir sage ich, dass diese oder jene Szene in meinen Augen (a) vierzig Seiten weiter nach vorn gezogen werden und (b) eine dritte Figur dazukommen sollte. Der Autor kann das annehmen oder auch nicht.

Warum sollte ein Autor ein Lektorat machen lassen? Lohnt sich das überhaupt? Ich nenne ein Beispiel aus eigener Anschauung. Ich habe ein Buch geschrieben, rund 400 Seiten, einen Roman. Und ich besaß die Hybris anzunehmen, dass ich natürlich fehlerfrei bin – fehlerfrei. Wenn nicht ich, wer dann? Das Ergebnis: Nach ein paar netten Rezensionen kam die Keule: Miese Rezensionen wegen Fehlern – und aus Unkenntnis. Ich hatte irgendetwas so dermaßen verschaukelt, dass bestimmte Steuerzeichen an 87 Stellen des Textes einen Absatz und ein Fragezeichen setzten – statt einer Parenthese und eines Kommas. Das Buch dümpelt jetzt irgendwo herum. Ich werde es irgendwann wieder aufleben lassen, es wird gerade professionell korrektoriert. Ist das Antwort genug? In dieser Zeit, in der alles öffentlich ist, werden Fehler sofort geahndet. Und es wird peinlich, wenn da was nicht stimmt.

Hast du weitere eigene Bücher geschrieben oder kümmerst du dich nur um die Werke der anderen? Da liegen noch vier Entwürfe in meiner Dropbox, zu achtzig Prozent fertig. Ich komme zu nichts derzeit.

Lektorierst du deine eigenen Werke selber oder suchst du dir dann auch einen Lektor? Einen Korrektor werde ich nehmen, sicher. Das Honorar fürs Lektorat überweise ich mir selbst und zürne dann mit dem Lektor.

Unvermeidliche Frage: Was kostet ein Lektorat? Einzig passende Antwort: Zeig mir den Text und den Umfang, lass mich zwanzig Seiten probearbeiten, dann kommt der Kostenvoranschlag. Aber wenn mir ein Werk gefällt einerseits und mir andererseits der leere Klingelbeutel gezeigt wird, werden wir immer einen Weg finden. Ich bin in dem Lebens-Stadium, in dem mir Arbeit Spaß machen muss. Sonst mache ich einen Golf-Schnupper-Kurs oder Makramee an der VHS.

Muss ein Lektor oder Korrektor jeden Fehler finden? Ausgeschlossen. Aber er sollte an die Perfektion stoßen. Mich ärgert dies zum Beispiel: Ein Autor, mit dem ich viel mache, kommt zu mir und sagt, ein Testleser habe eine Stelle gefunden, an der ich eine Mine, die im Bleistift, mit der im Gesicht, der Miene, verwechselt habe. Natürlich kenne ich den Unterschied. Aber es passiert. So etwas passiert jedem.

Was waren die lustigsten Fehler, die du so in den Manuskripten gefunden hast? Hey, drei nenne ich mal. Auf Seite 105 eines Werks beobachtet der Protagonist, wie ein Habicht aufsteigt. Er beobachtet ihn. Drei Seiten weiter ist der Habicht ein Bussard. Auch ein Raubvogel, aber ein anderer. Oder eine Autorin schreibt, dass die großen Ferien in Frankreich schon Mitte August zu Ende seien. Das ist glaube ich noch nie passiert, seit der Französischen Revolution. Die gehen immer bis Ende August. Und natürlich, gestern noch gelesen, der Klassiker: Der Kommissar schaute auf die Leiche, die seiner Meinung schon mindestens zwölf Stunden tot sein muss.

Welche Fehler treten am häufigsten auf? Das und dass. Wirklich. Immer noch. Auch fiel und viel, habe ich auch schon übersehen, hochpeinlich übrigens! Groß- und Kleinschreibung. Umgang mit zusammengesetzten Verben, krankschreiben ist etwas anderes als krank schreiben. Und immer wieder, sehr ärgerlich: Sätze, die nur aus Nebensätzen bestehen, mehr oder weniger, und nie zu Potte kommen. Und wenn sie am Ende zu Potte kommen, steht da noch so ein Verb-Rest herum, einsam und dumm. Dann schreibe ich manchmal daneben, das sei mir zu hypotoxisch(!) – und weiß genau, dass die wenigsten wissen, was eine Hypotaxe ist. Schwamm drüber!

Worauf legst du besonders viel Wert beim Lektorieren? Auf das Eliminieren von Adjektiven. Auf starke Verben. Auf kurze Sätze (wenn der Autor es nicht kann), auf Absätze. Und darauf natürlich, dass ich als erster und – wahrscheinlich jedenfalls – konzentriertester Leser überhaupt die Figuren begreife.

Wie lange kannst du konzentriert am Stück arbeiten? Vier, fünf Stunden. Dann gehe ich raus und trinke bei mir um die Ecke den besten Espresso Nürnbergs und lese Zeitung oder spiele Scrabble im Internet. Danach geht es weiter, am liebsten mit einem anderen Buch. Ein paar liegen immer herum. Ich grinse mal.

Hast du schon einmal ein Manuskript lektoriert, das dir zu heftig war? Oder von dem du Alpträume bekommen hast, wie zum Beispiel ein übler Horror-Roman – oder eine extrem traurige Biographie? Nein. Und sollte es einmal kommen, werde ich hoffentlich abgebrüht genug sein, die professionelle Distanz zu wahren. Kindersex und politisch radikalen Dreck würde ich indes ablehnen.

Hast du schon einmal ein Manuskript abgelehnt? Wenn ja, warum? Habe ich ein einziges Mal. Aus Zeitgründen. Der Herr wollte seine Examensarbeit binnen dreier Tage zwei Mal korrigiert haben. Hey, das waren 120 Seiten, Maschinenbau. Er winkte mit allerlei. Aber ich habe es nicht gemacht. Und ich lehne ab, wenn ich aus den ersten Gesprächen sehe, dass sich eine Autorin verschuldet, wenn sie dieses Buch lektorieren lassen will. Das kann ich mit meinen christlichen Grundwerten nicht vereinbaren.

Bleibt neben der Arbeit überhaupt noch Zeit für andere Dinge? Das klingt jetzt sehr blöd. Aber es ist derzeit einfach so: Nein. Klares Nein.

Danke für das Interview! 

  • (Juli 2015, schriftlich geführt. Im Februar 2016, im August 2018 und im Oktober 2019 aktualisiert)
  • (Alles aktualisiert am 1. Juni 2020, ML)
  • (Nach Hinweis einer Leserin einen fetten Klops in den Orkus geworfen und ein wenig gegendert)
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