Um was es geht Ruben gehört zu der Sorte Menschen – von denen es, zugegeben, nicht sehr viele gibt –, die sich außer Stande fühlen, sich vor anderen Menschen zu erleichtern. Ein Großteil seines Lebens als unter Dreißigjähriger verbringt er damit, seinen Pinkelalltag zu verbessern. Daran ändert auch die politisch sehr korrekte Aktivistin Rosa nichts. Die weiß nicht mal, was eine Paruresis ist. Und da ich es vor der Lektüre dieses Buches auch nicht wusste, darf ich es ihnen verraten. Wikipedia nennt das Blasenentleerungsstörung, die WHO teilt es ein als soziale Phobie.

Die Protagonisten Ruben und Rosa. Ein Bündel Freunde. Der ganz normale Alltag junger Leute, die allmählich ihren Platz im Leben suchen. Seinen Platz gefunden hat dagegen ein Michi57, den Ruben online für sein Problem zurate zieht. Michi57, für mich die spannendste Figur in diesem Buch, ist anonymer Paruresis-Coach. Was es alles gibt …

Die Machart Das schüchterne Organ ist Harrers Erstling. Es ist ein überraschend gutes, es ist ein sehr überzeugendes Debüt. Harrer hat eine wunderbare Art, andere zu beobachten und diese Beobachtungen in einer sehr feinen, manchmal ironisch angehauchten Sprache wiederzugeben. Das ist niemals ätzend oder bösartig, es ist eher mit dem ganz feinen Florett ausgefochten. Mir gefällt das ausnehmend gut. Ich habe mich bei diesem Buch köstlich amüsiert.

Ist das realistisch? Ja, ja, unbedingt. Das ist vor allem sehr unterhaltsam.

Eine typische Szene. Der vorletzte Punkt seiner Liste, ›Bett‹, war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Die Wahrscheinlichkeit, jemand anderen als ihn selbst dort anzutreffen, schätzte er geringer ein, als an einer Blechrinne im Fußballstadion zu pinkeln. Da neuerdings jedoch Pinkel-Wunder geschehen waren, wollte er auch im Schlafzimmer nichts dem Zufall überlassen.
Michi hatte auf die Nachricht seines Schützlings euphorisch reagiert. Ruben hatte lediglich
Date mit Rosa vereinbart und an portablen Dixi gepinkelt geschrieben und die Nachricht in erster Euphorie unkorrigiert an Ole weitergeleitet. Zum Glück antwortete sein Freund: Glückwunsch … zu beidem? denke ich …? und ging nicht näher auf das Dixi-Klo ein.
Obwohl er seinen Coach und dessen Engagement für die Mission seit Wochen kannte, überraschte ihn die Heftigkeit seiner Reaktion. Nicht nur versendete der zündelnde Rock-Rentner erneut eine Sprachnachricht. Er rief Ruben auf dem Heimweg von der Demonstration sogar an.
Ruben stoppte das Fahrrad und blickte erschrocken, als er Michi57 ruft an las. Bisher hatten sie immer nur schriftlich kommuniziert. Zwar hatten sie nie übers Telefonieren gesprochen, aber Ruben war von einem ungeschriebenen Gesetz ausgegangen, das Anrufe beim anonymen digitalen Pinkel-Coaching untersagte.

Wer ist der Autor? ω Marius Harrer ist zweiunddreißig, lebt in Düsseldorf und wird weitere Bücher schreiben.

Warum Sie das Buch lesen sollten Weil es richtig gut ist. Ihnen entgeht etwas, wenn Sie sich vom Thema abhalten ließen. Schauen Sie einfach daran vorbei.

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